- Eine geplante Vollauslastung der Schlüsselkapazitäten für mehrere Wochen
- Zusätzlich eine Bugwelle von Arbeitsgängen im Verzug, was den Beginn der
terminlich anstehenden verzögert
- Prioritätslisten übersteuern die geplanten Fertigungsreihenfolgen
- Das Verhältnis von Einrichtzeiten zu Bearbeitungszeiten ist suboptimal
und entspricht auch nicht der Plankalkulation
- Termintreue und kundenbezogene Flexibilität liegen im Argen
- Die Reibungsverluste und Zusatzaufwendungen in Produktion und Verkauf
sind erheblich
Der Verkauf bemängelt die Produktionsdurchlaufzeiten und die Termineinhaltung. Die Produktion bemängelt die Absatzplanung und das kurzfristige Einschieben von Aufträgen. Verkauf wie Produktion tun ihr Bestes. Niemandem ist mangelndes Engagement vorzuwerfen.
Nur sehr bedingt! Wenn wir davon ausgehen, dass die Ausstattung der Fertigung auch den logistischen Anforderungen des Unternehmens entspricht, dann findet sich die Ursache der Terminprobleme meist darin, dass bei den Planungs- und Steuerungsbemühungen grundlegende Wirkungszusammenhänge ungenügend beachtet werden. Dafür wird versucht, die Situation mit punktuellen Massnahmen in den Griff zu bekommen.
Ein Fertigungsleitstand zeigt zuerst einmal, wann welche Arbeitsgänge aus welchen Aufträgen zur Ausführung geplant sind. Bei diesem Wann handelt es sich um ein Zeitfenster, innerhalb welchem der Arbeitsgang abgearbeitet werden müsste. An einer Fertigungsstelle stehen in aller Regel mehrere bis viele Arbeitsgänge aus verschiedenen Aufträgen zur Ausführung an. Die geplanten Zeitfenster der Arbeitsgänge sollen es ermöglichen, die Arbeitsreihenfolge so zu bilden, dass in keinem Auftrag Verzug entsteht.
Aber selbst wenn noch kein Terminverzug entstanden ist und die Kapazität einer Fertigungsstelle für die nächsten Tage oder Wochen nicht über 100% verplant ist, sich aber die auszuführenden Arbeitsgänge in Abschnitten des betrachteten Zeitraumes überlagern, ist die Termineinhaltung nicht gesichert. Hier zeigt sich die Bedeutung der vorangehenden Durchlaufterminierung der Aufträge im Zusammenhang mit der Höhe der Kapazitätsauflastung.
Bei einem Terminverzug der Fertigung in der Höhe mehrerer Kapazitätstage (Bugwelle), degeneriert der Leitstand ohnehin zu einer grafischen Darstellung des nicht termingerecht abarbeitbaren Auftragsbestandes.
Wenn die Voraussetzungen für die Termineinhaltung nicht schon bei der Durchlaufterminierung der Aufträge und durch ein konsequentes Kapazitäts-Management gelegt werden, ist auch mit den raffiniertesten Leitstandfunktionen nichts mehr zu retten.
Die alte PPS-Vision "Wenn nur genügend Rechenleistung vorhanden wäre…", wurde nie Wirklichkeit. Das heute verfügbare Leistungsangebot der Rechner, und weiterentwickelte Software, haben allein keinen Durchbruch gebracht. Nach wie vor entscheidet das sachbezogene, auf das Unternehmen abgestimmte Konzept über den Erfolg.
Es bedarf der eingehenden Beschäftigung mit dem Grundsätzlichen, mit den sachlichen Zusammenhängen, mit Unverrückbarem und Änderbarem. Im Gegensatz zu vordergründigen Rezepten und Softwareanpreisungen, ist dazu leider wenig wirklich ausleuchtende Literatur greifbar. Was aber auch schon aus umfassenden Verfahrensbeschreibungen klar wird, ist die grundlegende Bedeutung der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen und der daraus entstehenden Wirkungszusammenhänge.
Es geht im Wesentlichen um die folgenden
Fertigungsfolgen
(Erzeugnis- resp. Auftrags-Klassen mit relevant abweichenden Fertigungsfolgen)
Belegungszeitfächer je Fertigungsstelle
(Belegungsdauer der Fertigungsstelle durch Erzeugnisse resp. Aufträge)
Vorangehende Belegungsbedingungen je Fertigungsstelle
(Technische oder wirtschaftliche Bedingungen für die Einplanung resp. Reihenfolgebildung an der Fertigungsstelle)
Durchlaufkritische Fertigungsstellen
(Fertigungsstellen bei welchen bereits aufgrund des Belegungszeitfächers und/oder der vorangehenden Belegungsbedingungen relevante Wartezeiten entstehen)
Kapazitätsspielraum und erforderlicher Zeitraum der Planauslastung
(Welche Möglichkeiten zur Anpassung der Kapazitäten stehen zur Verfügung, und welche Vorlaufzeit wird dafür benötigt)
Benötigte Zeitreserven im Auftragsdurchlauf
(Mit welchen Wartezeiten ist an welchen Fertigungsstellen zu rechnen und wie wird der benötigte Spielraum Erzeugnissen resp. Aufträgen zugeordnet)
abgestimmt mit
Maximale Kapazitätsauflastung je Fertigungsstelle
(Welchen Prozentsatz der Kapazität darf die Plan-Auslastung der Fertigungsstelle nicht überschreiten)
Auftrags-Termingebung
(Wie werden machbare Endtermine für neue Aufträge ermittelt, wie für Angebote)
Rückstandsmanagement
(Wie wird Fertigungsrückstand resp. drohender Fertigungsrückstand erkannt und welche Massnahmen werden in welchen Fällen getroffen)
Wer eine schon längere Praxis in der industriellen Fertigung hinter sich hat, erinnert sich an die Entwicklungen im Übergang von Einzweck-Maschinen zu universellen Fertigungsmitteln. Bisher über mehrere Arbeitsplätze/Maschinen laufende Bearbeitungen konnten nun auf ein und derselben Fertigungsanlage ausgeführt werden. Die neue technologische Flexibilität hatte aber auch ihren Preis. Investitionen mussten ausführlich begründet werden, und sie wurden es vorwiegend mit Argumenten zu Fertigungskosten und Flexibilität. Selbstverständlich wurde im Hinblick auf die Kostensätze eine hohe Auslastung der neuen Fertigungsmittel angestrebt und deshalb möglichst viele Arbeitspläne auf die neue Bearbeitung umgestellt. Natürlich auch, um auf den Betrieb und die Kosten von bisher eingesetzten Anlagen verzichten zu können.
Wie wirkte es sich in Bezug auf die Auftrags-Durchlaufzeiten und die Termineinhaltung aus? Oft verlangten nun hohe Umrichtzeiten entsprechend hohe Losgrössen, was lange Belegungszeiten pro Auftrag ergab. Teils führte die grössere Anzahl einzelner Aufträge, welche nun über ein und dieselbe Fertigungsanlage laufen mussten, zu komplexeren Warteschlangen und entsprechenden Terminierungsproblemen. Verstärkt durch eine zu hohe Auslastungsplanung (keine Reserve für den Ausgleich unvermeidbar auftretender Wellen an abzuarbeitenden Arbeitsfolgen) wurden neue Permanent-Engpässe geboren.
Unternehmen, welche die richtigen Lehren gezogen haben, betrachten deshalb fertigungstechnologische Vorhaben stets auch im Zusammenhang mit ihrer Auswirkung auf den Auftragsdurchsatz. Sie stellen sich die Frage: "Wie erreichen wir die für kurze Durchlaufzeiten und Termineinhaltung nötige Flexibilität unserer Fertigung?". Sie wägen die Kosten für entsprechende Lösungen und den marktseitigen Ertrag gegeneinander ab und tun konsequent das Machbare.
Wenn wir von einer rechtzeitigen Auftragsauslösung und von ausreichender Fertigungsmittel-Kapazität ausgehen, dann bleibt die Frage nach der benötigten Personal-Kapazität. Hier stehen sich erst einmal zwei extreme Denkweisen gegenüber. Die erste sagt: "Um keinen Terminverzug zu erzeugen, braucht es an jeder Fertigungsstelle eine Personalkapazität in der Höhe der zu erwartenden Belegungsspitzen". Der andere Standpunkt ist geprägt von den Bedenken, es könnten Beschäftigungslücken auftreten und deshalb sei die Personalkapazität gemäss dem durchschnittlichen Bedarf zu bemessen.
Im Wissen um den jeweils richtigen Kern beider Aussagen, zeigt sich sowohl die Bedeutung von flexibel einsetzbarem Personal, wie auch der enorme Vorteil flexibler Personal-Kapazität, einer flexibilisierten Arbeitszeitregelung.
Ein wesentliches Hindernis für Durchlaufzeitreduktion und Termineinhaltung ist die einseitige Sicht der Kapitalbindung. Vermeidbare Kapitalbindung, beispielsweise durch schlechte Lagerdisposition, ist selbstverständlich abzulehnen. Jedoch sind bei gewissen Erzeugnisstrukturen, sowie in bestimmten Fertigungsstrukturen, Puffer in Form von Material oder Zeit unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden Fertigungssteuerung. Wann und wo und in welchem Masse, sind Fragen, welche zur Grundkonzeption der PPS gehören.
Wenn immer wieder die so nicht gewollte, aber doch eingetretene Terminsituation im Zentrum steht, und die PPS das Image einer unbeherrschbaren Black Box angenommen hat, ist das Management gefordert. Aber nicht zum Eingreifen in die Auftragsprioritäten, sondern zur Überprüfung und Korrektur des grundlegenden PPS-Konzeptes. Diese Verantwortung kann weder an die Träger des Tagesgeschäftes der Planung, noch an Softwareexperten delegiert werden, denn PPS-Verfahren und -Regeln verlangen Managemententscheide aus sachlichem Durchblick.
© PROJEKT-SUPPORT Gerhard Mäder und Partner AG